Verein der Freunde der

Heckeshorner Geschichten

Reinhard Hein, Vera Seehausen

Geschichte(n) des Geländes Heckeshorn am Wannsee
– Ein Spaziergang –

Die Geschichte des Heckeshorner Geländes und seiner Gebäude ist auch eine – für Berlin nicht unübliche – Geschichte permanenter Bautätigkeit.

Eines der ersten Häuser auf dem heutigen Gelände der Klinik Heckeshorn war die Villa Collignon, die von Bruno Paul 1922 erbaut, mit der Gründung des Krankenhauses zum Ärztehaus (Casino) umfunktioniert wurde und heute als Therapieeinrichtung genutzt wird. Der eigentliche Baubeginn auf dem Heckeshorner Gelände liegt aber in der Zeit des Nationalsozialismus. Ende der 30er-Jahre wurde die luxuriöse Wohngegend um den GroßenWannsee – vor allem die Colonie Alsen mit ihren prächtigen Villen – von nationalsozialistischen Organisationen in Beschlag genommen, nachdem die ursprünglichen Besitzer größtenteils in die Emigration gezwungen worden waren. Reichssicherheitsdienst, Auswärtiges Amt, Reichspost, NS-Frauenschaft und auch die NSVGauschule wurden die neuen Bewohner und bestimmten das Bild am Wannsee; sogar eine Reitbahn der SS fand Platz auf dem Gelände der Villa Oppenheim. Berühmtestes Beispiel ist die ehemalige Villa Minoux, die 1942 zum Schauplatz der „Wannsee-Konferenz“ wurde.

Das insgesamt fast 400 000qm umfassende Gelände der späteren Lungenklinik Heckeshorn wurde Standort für die Reichsluftschutzschule zur zivilen Ausbildung von Luftschutzwarten aus ganz Deutschland, mit Unterkunftshäusern, Schul- und Wirtschaftsgebäuden, einem Offizierskasino und einem Hörsaal. Eduard Jobst Siedler entwarf und baute im Auftrag des Reichsluftfahrtministeriums die der leicht hügeligen Umgebung angepasste Anlage im Klinkerstil und mit kurvigen Wegen. Am 11. Mai 1939 wurde die Schule von Hermann Göring feierlich eingeweiht. Heute stehen diese Gebäude
unter Denkmalschutz.

Wartehalle
Wartehalle des Hauses D mit Holzbaracke (Quelle - Bildarchiv des Vereins)

Anfang der 40er-Jahre wurde neben dem alten Haupteingang der erste Hochbunker Berlins errichtet, mit Wänden und Decken aus bis zu vier Meter dickem Stahlbeton. Der Bunker diente Schulungszwecken, war aber vor allem Befehlsstand der „Luftflotte Reich“, die von hier aus die Luftverteidigung Berlins koordinierte und den Einsatz der Sirenen befahl. Auch sollte er in Angriffsfällen Schutzraum für die benachbarte NS Prominenz sein. Ende April 1945, kurz vor Kriegsende, wurde Wannsee heftig umkämpft. Für die verletzten Soldaten war auf dem Gelände der Reichsluftschutzschule bereits ein Hilfslazarett eingerichtet worden, in mehreren Holzbaracken untergebracht, und die umliegenden Villen wurden ebenfalls als Lazarette zweckentfremdet – Berlin hatte gegen Kriegsende 70–90% seiner Krankenhausgebäude verloren; die Umfunktionierung von anderen Gebäuden zu Hilfskrankenhäusern war gang und gäbe.

Die Ärzte Fritz und Käthe Hussels versorgten im Hilfslazarett verwundete Soldaten und verbarrikadierten sich beim Einmarsch der sowjetischen Armee im Bunker. Als sie dann im weißen Kittel den Bunker verließen und plötzlich einem sowjetischen Soldaten begegneten, soll Fritz Hussels das Lazarett eilig zum „antifaschistischen Krankenhaus“ erklärt und dies mit dem Soldaten perWodka besiegelt haben. (Schilderung von Dr. Michael Hussels, Arzt in der Chirurgischen Abteilung in Heckeshorn und Großneffe des Ehepaars Hussels)

Fritz und Käthe Hussels, Onkel bzw. Tante des späteren Chefarztes des Zentrallabors Hans-Jürgen Hussels, spielten beide zentrale Rollen beim Wiederaufbau von Gesundheitseinrichtungen am Wannsee: Fritz Hussels baute zusammen mit Dr. jur. Walter Strauß und Chirurg Dr. Ernst-Ludwig Blumann aus den Hilfslazaretten das Städtische Krankenhaus Wannsee auf, das in insgesamt sechs Wannsee-Villen untergebracht war: Villa Oppenheim (Gynäkologie, später Röntgenstation, mit einer Verbrennungsanlage für Krankenhausabfälle aller Art im Keller), Max-Liebermann-Villa und Villa Hampsohn (Chirurgie), Villa „Kleiner Messel“ (Tbc-Station und Kinderstation), Villa Salinger (Innere Abteilung), Reclam/Brasch-Villa (Verwaltung, Schwesternschule). Käthe Hussels wurde 1945 Beraterin der US Headquarters, absolvierte 1947 eine Amtsarztausbildung in den USA und war 1953/54 leitende Amtsärztin des Gesundheitsamtes Zehlendorf.

Mit dem Einzug des Tuberkulosekrankenhauses Heckeshorn 1947 wurden die vorhandenen Gebäude der Reichsluftschutzschule anderweitig genutzt: Die Klinikleitung mit Ärztlichem Direktor Prof. Radenbach, Oberin Frau Schröder und Verwaltungsdirektor Klose befand sich bis 1977 im jetzigen Haus J neben dem alten Haupteingang. Haus Collignon wurde zum Ärztehaus mit eigenem Speisesaal (inkl. Bedienung) und Zimmern für Gastärzte. In seinen Nebengebäuden mit Auslauf zum Garten waren Personalwohnungen, die Tierversuchsställe mit Schafen, Meerschweinchen und Kaninchen untergebracht. Die Blumen aus der hauseigenen Gärtnerei schmückten die Stationen und Patientenzimmer. Die Kräuter und das Gemüse fanden in der Krankenhausküche ihre Verwendung.

Selbst über einen eigenen, hinter dem Haus Collignon gelegenen Hafen verfügte die Klinik, der angeblich sogar während der Berlin-Blockade von den Briten benutzt worden war. Heute ist der Hafen versandet. Häufig angesteuert wurde der Hafen damals in jedem Fall von EkkehardWeis …

Als die letzten Holzbaracken abgebaut wurden, fiel einiges an Bauschutt an – u.a. Holz, das Weis sehr gut für einen Verschlag brauchen konnte, den er gerade um sein auf dem Campingplatz Wannsee stehendes Zelt bauen wollte. Nach Dienstschluss holte er also sein Boot, das im klinikeigenen Hafen lag, belud es mit dem Abfallholz und transportierte die Ladung über denWannsee zum Campingplatz. Vorausschauend hatte er sich zwar vom Bauleiter eine Quittung über die Holzfuhre geben lassen, dennoch wurde er am nächsten Morgen zur Klinikleitung zitiert, die ihn schon des Diebstahls verdächtigt hatte.

Die Villa Sperling wurde zum Wohnhaus des Ärztlichen Direktors. Später wurde in direkter Nachbarschaft in einem vorhandenen kleinen Holzhaus ein Betriebskindergarten mit Spielplatz eingerichtet. Das ehemalige Offizierskasino diente als Patientenspeisesaal, in den die Patienten mittags aus allen Gebäuden im Gänsemarsch trabten. Dort fanden auch regelmäßig gern besuchte kulturelle Veranstaltungen nicht nur für Patienten statt. Die sogenannten „U-Häuser“, gedacht als Unterkünfte der Reichsluftschutzschüler, wurden als Stationen genutzt, teilweise mit 8-Bettzimmern, je einer einzigen Toilettenanlage und ohne Fahrstuhl, sie dienten aber auch als Personalunterkünfte von Mitarbeitern. Mitte der 80er-Jahre wurde ein Teil der U-Häuser zu Mietwohnungen für Mitarbeiter in besondererWohnlage umgebaut.

Teilweise herrschten auf diesen Stationen primitive Verhältnisse. Auf der onkologischen Station in den Häusern F und G lagen viele schwerkranke Krebspatienten – „F/G“ stand daher klinikintern auch für „fast gestorben“. Demzufolge war es auch nicht selten, dass Verstorbene von dort in die Pathologie gebracht werden mussten. In dem Haus, das zwar nur zweistöckig, aber ohne Aufzug war, mussten die Toten über die Treppe transportiert werden. Ekkehard Weis, der eines Nachts zu einem solchen Todesfall gerufen wurde, konnte keine Hilfe für den Transport finden und nahm so den Toten kurzerhand huckepack und trug ihn auf seinem Rücken in die Pathologie.

Als die Kinderabteilung aus dem sogenannten „Hexenhäuschen“ (die mit Holzschindeln gedeckte Villa „Kleiner Messel“) in einen langgestreckten rechtwinkligen Flachbau auf dem Gelände der Lungenklinik zog, nutzte sie auch eines der „UHäuser“, das direkt gegenüberliegende Haus J. Haus K, weiter Richtung Wald und Wannsee gelegen, war Privatpatienten vorbehalten.

U-Häuser mit Baracken
Die sogenannten "U-Häuser" mit Holzbaracken im Vordergrund (Quelle - Bildarchiv des Vereins)

Die ersten größeren baulichen Veränderungen begannen 1953 mit dem Bau von fünf der insgesamt sechs geplanten Pavillon-Flachbauten, die mit ebenerdigen Liegeterrassen ausgestattet waren, auf die die Patienten mit ihren Betten heraus geschoben werden konnten. Die terrassenartige Anlage galt als modern und wurde Vorbild für andere Kliniken. Einer der Flachbauten war den tuberkulösen Schwangeren vorbehalten (Station 2), ein weiterer der Säuglingsstation. Neben den Flachbauten befand sich bis Mitte der 80er-Jahre eine Minigolfanlage mit zehn Bahnen. Zeitgleich wurden nach und nach die alten Holzbaracken abgerissen.

Bei einem dieser Flachbauten wünschte sich Oberarzt Bruno Dieckmann im Rahmen einer Sanierung von der Verwaltung den Einbau zentraler Lichtschalter, die es ermöglichen sollten, auf Knopfdruck im ganzen Pavillon die abendliche Bettruhe durchzusetzen – also alle Radios auf einmal abzuschalten. Die Flachbauten mit ihren Liegeterrassen bieten schnellen Zugang nach außen und haben viel für sich, nicht nur für die Patienten. Dem Oberarzt Wilhelm Schüler ermöglichten diese offenen Krankenzimmer eine Visite per Motorrad: er fuhr gemächlichen Tempos an den auf der Terrasse liegenden Patienten vorbei – ob er auch gleich die Krankenakten transportierte und ein begleitender Arzt oder Schwester im Beiwagen saß, ist leider nicht bekannt. Bereits zu Zeiten der Holzbaracken soll es Besuche von Ärzten auf den Stationen mit dem Motorrad gegeben haben.

1952 war laut Radenbach sogar ein geschlossener Zentralbau im Tal der Leidenschaften geplant, der sich aber nicht verwirklichen ließ. Im Sinne der Patienten wäre es sicher auch nicht gewesen, wenn dieses idyllische, baumumstandene Tal zugebaut worden wäre – schließlich lag es günstigerweise auf dem Weg Richtung Wannsee und vor allem Richtung „Bolles Bootshaus“ und bot dann auf dem Rückweg, nach dem Besuch bei „Bolle“, gute Gelegenheiten, sich ggf. zu zweit in die Büsche zu verziehen. Es soll später einige Fälle gegeben haben, die sich als ein echtes „Kind von Hekkeshorn“ bezeichneten.

Liegeterassen
Liegeterasse der in der 1950er-Jahren errichteten Pavillonbauten (Quelle - Bildarchiv des Vereins)

In den 60er-Jahren standen die Unterkünfte des Personals auf dem Bauplan: 1962–65 wurden auf dem Gelände Schwestern- und Personal-Appartements beidseitig der Straße Zum Heckeshorn errichtet. Darüber hinaus entstanden Wirtschaftsgebäude mit Werkstätten und einem Personalspeiseraum, Heizungszentrale, Desinfektionsanstalt, Verbrennungsanlage, Garagen und eine eigene Wäscherei. Heckeshorn beschäftigte für die Instandsetzung und Instandhaltung eigene qualifizierte Haushandwerker und verfügte über eine eigene Kfz-Werkstatt, eine Tischlerei, eine Polsterei, Schlosser-, Elektriker- und Malerwerkstatt. In der Verbrennungsanlage verfeuerte vor allem ein Mitarbeiter gern so ziemlich alles, was ihm in die Finger kam – nachts zogen dunkle Rauchfahnen über denWannsee, bis sich Anwohner beschwerten. Insgesamt wurde das ganze Gelände außerdem von 17 Hof- und Gartenarbeitern in Schuss gehalten.

Die Lungenklinik Heckeshorn verfügte über einen Fuhrpark mit Lkws für größere Transporte außerhalb (auf dem Gelände waren die Transportarbeiter und Handwerker mit „E-Karren“ unterwegs), sogar über eine eigene Tankstelle für die eigenen Kraftfahrzeuge, eine Poststelle und selbstverständlich auch über einen Kiosk „Erfrischungsquell“,der getrennte Zugänge für infektiöse und nichtinfektiöse Patienten und Mitarbeiter bot. Er war oft ein geselliger Ort, nach dessen Besuch auch Führerscheine abgegeben worden sein sollen. 1970 zogen die Pathologie und klinische Zytologie in neue Gebäude auf das gegenüberliegende Südgelände, neben das ebenfalls neue Hochhaus. Dieses war ursprünglich geplant und gebaut als „Haus für Chronischkranke“ der Arbeiterwohlfahrt und beherbergte zusätzlich eine innere Akut Abteilung aus dem Krankenhaus Wannsee sowie Funktionsbereiche im Erdgeschoss (Apotheke, Röntgenabteilung, später auch Nuklearmedizin, EKG und Physiotherapie mit Bäderabteilung). Im Zuge weiterer Baumaßnahmen wurde die Cafeteria ins Dachgeschoss des Hochhauses verlagert mit einem herrlichen Ausblick über den Wannsee bei klarer Sicht bis zu den Müggelbergen. 1974 wurde dann die „GAGFAH-Siedlung“ mit 54 Wohneinheiten (auf dem Gelände des ehemaligen Krankenhauses Wannsee, Straße Am Großen Wannsee) mit Miet- und Eigentumswohnungen für die Mitarbeiter bezugsfertig.

Wichtigstes Bauwerk in den 70er-Jahren wurde das schon seit 1965 geplante, aber erst 1972 in Angriff genommene Diagnostikum, das 1977 fertig gestellt wurde. Während die Heckeshorner nur von „Brandts Diagnostikum“ sprechen, ist dieser Bau in die Geschichte der Krankenhausarchitektur als „Poelzigs Diagnostikum“ eingegangen, weil seine funktionale Aufteilung – unter enger Mitarbeit von Brandt – beispielgebend wurde. Das Architekturbüro P. Poelzig (G. Grass und C. Hertling) setzte einen Bau um, der neben den Stationen das Allergie- und Atmungslabor mit aufnahm sowie die Endoskopie, die pneumologische Intensivstation, die Röntgen- und Nuklearmedizinische Abteilung und das Krankenblatt- und Röntgenbild-Archiv – und der außerdem wirtschaftsplan- und fast zeitplangerecht fertig wurde (21,5 Mio. DM Baukosten). Nach dem Bezug 1977 stellte sich allerdings heraus, dass unter einer Dachterrasse aus einer Steckdose Wasser lief, weshalb das Dach und die Fassade des gesamten Gebäudes wegen Baumängel aufwendig saniert werden mussten.

Der Bunker hatte eine ganz eigene Nutzungsgeschichte und wurde kreativ je nach Bedarf neuen Zwecken zugeführt: Dank seiner gleichbleibenden Temperatur von 4 Grad im Sommer und Winter hielt er sowohl die Leichen der Pathologie kühl (bis zum Neubau der Pathologie 1970) als auch die 400 Zentner Kartoffeln, die dort in einem anderen Teil zeitweilig im Herbst eingelagert wurden.

Die am Bunker befindliche Sendemastanlage wurde während der Blockadezeit 1948/49 als Funkleitstelle der Postdirektion genutzt und ermöglichte drahtlose Fernsprechverbindungen nach Westdeutschland. Das kam Heckeshorn und dem Krankenhaus Wannsee zugute, die dadurch vor den regelmäßigen Stromsperren geschützt waren. Später beherbergte der Bunker eine Sendestation des DIAS (Vorläufer des RIAS), verlor aber seine funkstrategische Bedeutung mit der Inbetriebnahme des Fernsehturms auf dem Schäferberg 1967.

Als noch die Pathologie dort residierte und den Eingangstrakt als Sezierraum nutzte, machten sich aus dem benachbarten Don-Bosco-Heim Jugendliche als Mutprobe daran, den Bunker zu besteigen (wie dies auch schon Ekkehard Weis getan hatte und beinahe festgenommen worden war). Übers Dach kletterten sie hinein, um die Innenräume nachts trotz tiefster Dunkelheit zu inspizieren … ganz aufgeregt meldeten sie nach dem Verlassen des Bunkers den Fund einer Leiche, ohne überhaupt zu ahnen, wo sie sich da befunden hatten.

Da ein Abriss des Bunkers kaum möglich bzw. bezahlbar war, erfolgte ab 1982 der aufwendige Umbau in ein ABC-geschütztes Notfallkrankenhaus für Katastrophenfälle für ca. 500 Menschen. 2001 wurde dann der Rückbau beschlossen und nur ein Teil der damaligen Einrichtungen dort belassen: vier Operationssäle, Bettenräume, eine Großküche sowie zwei Notstromaggregate, eine Belüftungsanlage, eine separate Brunnenwasserversorgung. Ein Teil des Untergeschosses bietet für den Ernstfall die Möglichkeit einer strahlensicheren Lagerung von Krankenhausabfällen „aller Art“.

Bunker
Hochbunker Heckeshorn (Quelle: J.O.Evers)

In den 80er-Jahren stand der Umbau des Hochhauses im Mittelpunkt, das dann 1988 von Kinderabteilung und den früher in den Flachbauten untergebrachten Bettenstationen bezogen wurde, nachdem die geriatrische Abteilung aufgelöst und verlagert worden war. Zugleich begannen nach einem offenen Architekten-Wettbewerb die Bauarbeiten für den dringend benötigten Ersatzbau für die Thoraxchirurgie und für das Zentrallabor mit Anschluss an das Diagnostikum, der 1992 bezugsfertig war (Büro: von Feddersen, v. Herder & Partner). Angelehnt an den Klinkerstil entstanden zwei zweigeschossige Trakte, der OPTrakt über dem Labor und der Stationstrakt in einer leicht geschwungenen Grundform. Zeitgleich entstanden ein Wirtschaftstrakt mit neuer Zentralküche, neue Werkstätten und die Energiezentrale in Form eines modernen Blockheizwerkes, das Pförtnerhaus am neuen Haupteingang und ein neuer Tierstall, der aber als solcher keine Verwendung mehr fand. Insgesamt wurden so in Heckeshorn im Laufe der Zeit weit mehr als 140 Mill. DM für die Sanierung der alten Gebäude und für Neubauten ausgegeben.

In die ehemaligen Gebäude der Thoraxchirurgie, des Labors und der Küche zog nach umfangreichen Umbauarbeiten der Blutspendedienst des Deutschen Roten Kreuzes ein.

Das Heckeshorner Gelände wurde auch gern als Filmkulisse genutzt – die Flachbauten waren zeitweise auch an NOVA-Film vermietet.

Drehorte: Alte Chirurgie in Haus D, einem der Gebäude der ehemaligen Reichsluftschutzschule: Prof. Loddenkemper hatte einem Filmteam die Dreherlaubnis für einen Film gegeben, der in der NS-Zeit angesiedelt war. Eine gute Kulisse gaben natürlich die alten Gebäude der Reichsluftschutzschule ab, in denen jetzt die Chirurgie untergebracht war. Davon wusste allerdings nicht jeder: Als Prof. Kaiser am frühen Morgen auf seinen üblichen Parkplatz hinter dem Haus fahren wollte, wurde er vom Filmteam gestoppt. Mit einem „das ist mit mir nicht abgesprochen“ ignorierte Kaiser jedoch die Absperrung und fuhr mit seinem Auto mitten hinein in die Kulisse.

Prof. Kaiser wurde von der Sendung „Löwenzahn“ (Peter Lustig) gefragt, ob er eine Erklärung für das Hundeverbot in Kliniken abgeben könne. Das könne er eigentlich nicht, war Kaisers Antwort, denn im Grunde seien Hunde weit weniger keimbelastet als Menschen, die z. B. vor Betreten der Klinik noch in Hundehaufen getreten seien. Dieses Statement wollte Peter Lustig gern in seine Sendung einbauen und bot Prof. Kaiser die Rolle des Arztes an, der mit „der weißen Wolke“ den Jungen mit Hund visitierte – für 5 Minuten Sendezeit war dann ein Tag lang die Station vom Filmteam belegt.

Die landschaftlich schöne Lage, hügelig und waldreich und die Nähe zu Wannsee und Havel – dies alles machte das gute „Heckeshorner Mikroklima“ aus, das sich für Patienten und Personal gleichermaßen erholsam auswirkte und auch das Betriebsklima positiv beeinflusste. Es gibt sicherlich von kaum einer anderen Klinik so viele „Wasser-Geschichten“ zu erzählen wie von Heckeshorn:

Bei mancher Visite mussten Ärzte erst auf ihrem Boot „angepiept“ werden, damit sie den Termin nicht verpassten. Und wann immer es möglich war, gingen Ärzte und Schwestern schwimmen – sogar mit einem auf der Badekappe montierten „Pieper“. Manch einer wie Ekkehard Weis schwamm selbst im Februar bei eisiger Kälte zwischen den Eisschollen (verewigt per Foto in der BZ mit dem Kommentar „dem Schwimmer kann nichts passieren, der ist Lungenarzt in Heckeshorn“). Auch nach einem langen, alkoholisierten Abend tat ein Wannsee-Bad gut als Abkühlung und sorgte für einen klaren Kopf am nächsten Morgen. Ein besonderes nächtliches Abenteuer in kalter Jahreszeit begann mit einem Bad beim Flensburger Löwen … unversehens fand sich Weis zähneklappernd mitten auf demWannsee wieder. Umnun wieder warm zu werden, schwamm er gleich weiter zum StrandbadWannsee auf die gegenüberliegende Seite. Dort angekommen war ihm aber immer noch nicht warm und so lief er dann im Dauerlauf über die Wannseebrücke zurück und kam – endgültig wach und aufgewärmt – in Heckeshorn wieder an.

Literatur
1 Berlin und seine Bauten. Teil VII, Band A: Krankenhäuser. Berlin: Ernst & Sohn 1997

2 Der Senator für Gesundheit und Soziales (Hrsg.). Krankenhäuser in Berlin. Bauten und Projekte der 80er Jahre. Berlin: Gebr. Mann 1989

3 Villenkolonien inWannsee 1870–1945 – Großbürgerliche Lebenswelt und Ort der Wannsee-Konferenz. Berlin: Edition Hentrich 2000 (Schriftenreihe Gedenkstätte Haus der Wannsee-Konferenz. 8)

4 Janick R. Reichsluftschutzschule und Hochbunker Heckeshorn. Ein geschichtlicher Exkurs abseits der touristischen Routen. Quelle: http://berliner-unterwelten.de/newsletter-juni-2006.881.0.html

5 Haus der Wannsee-Konferenz. Ausstellung zu den Villen am Wannsee Quelle: http://www.ghwk.de/


60 Jahre Lungenklinik Heckeshorn Der Artikel ist dem vorliegenden Band zum 60-jährigen Jubiläum der Klinik entnommen. Dieser versammelt zahlreiche Beiträge zu der Entwicklung der einzelnen Abteilungen und Funktionsbereiche, Porträts zentraler Persönlichkeiten sowie Geschichten aus dem Klinikleben und dokumentiert zugleich die vielfältige Vernetzung der Lungenklinik Heckeshorn in der internationalen "Szene" der Pneumologie und Thoraxchirurgie.



DOI: 10.1055/b-002-19465
Seehausen, Vera; Bauer, Torsten T.; Kaiser, Dirk; et al.: 2007
Von der Phthisiologie zur Pneumologie und Thoraxchirurgie 60 Jahre Lungenklinik Heckeshorn
Print ISBN 9783131346513
Online ISBN 9783131864611